Holocaustrelativierung auf Instagram

Ein Tagebucheintrag einer 10. Klasse des Christlichen Gymnasiums „Rudolf Stempel“ in Riesa (Workshop am 11. Januar 2024)


Hinweis: Die folgende Szene und der reflektierende Tagebucheintrag basieren auf einem fiktiven Szenario. Die Schüler*innen hatten die Aufgabe, einen erfolgreichen Umgang mit einem antisemitischen Vorfall zu zeigen.


Wie sich die Szene abgespielt hat…

Clara (hat alles beobachtet, schreitet gar nicht ein und sagt stattdessen): Naja, Jedem das Seine.

Ein jüdischer Mann, der eine Kette mit dem Davidstern trägt, geht spazieren. Ein anderer Mann hat die Kette mit dem Davidstern gesehen, spuckt ihn an und schaut den Spaziergänger dabei mit hasserfüllten Augen an, obwohl dieser überhaupt nichts getan hat.

Clara postet den Vorfall und ihre Gedanken dazu als eine Story auf Instagram. Ihre Freundin Viktoria sieht den Post und ist entsetzt. Sie sucht das Gespräch mit Clara.

 Handelnde Personen:  

  • Viktoria  
  • Clara  
  • Jüdischer Mann  
  • Antisemit  

Viktoria: Was hast du dir bei dem Spruch „Jedem das Seine“ bloß gedacht? Weißt du nicht, dass der Spruch auf dem Tor des KZs Buchenwald während des Nationalsozialismus stand und dieser Spruch die schreckliche Gewalt, die gegenüber den KZ-Häftlingen ausgeübt wurde, rechtfertigt? Menschen, die als minderwertig in der faschistischen Nazi-Ideologie angesehen wurden, wie zum Beispiel Juden, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“, Menschen mit Behinderungen, Roma und Sinti, politische Oppositionelle wurden verfolgt und das auch noch als gut geheißen!

Clara: Okay, das wusste ich nicht… Tut mir leid.

Viktoria (schüttelt den Kopf): Aber du musst doch ähnlich denken, wenn du bei dem Angriff auf den jüdischen Mann nichts gemacht hast…

Clara: Ich werde die Story runternehmen.


Liebes Tagebuch,

heute habe ich meine Freundin über Antisemitismus aufgeklärt. Sie hatte auf Instagram eine Story gepostet, auf der stand: „Heute hatte ich auf der Straße gesehen, wie jemand einen Juden angespuckt hat. Ich bin einfach weitergelaufen, weil naja, jedem das Seine.“

Als ich das gehört habe, war ich einfach nur sprachlos. Ich bin zu ihr gegangen und habe sie darauf angesprochen. Ich habe ihr gesagt, dass sie in Situationen, wo Menschen wegen irgendeinem Merkmal wie Religion, Herkunft, Geschlecht, usw. schlecht behandelt werden, handeln sollte und diese Art von menschenfeindlichem Handeln nicht akzeptiert werden darf. Auch habe ich ihr erklärt, welche antisemitische Geschichte und historische Bedeutung der Spruch „Jedem das Seine“ tatsächlich hat.

Der Spruch stand nämlich auf dem Tor des Konzentrationslagers Buchenwald in Thüringen, in dem Menschen wie Juden, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“ und weitere, die nicht als „Herrenrasse“ galten, die Freiheit genommen wurde und unter schlimmsten Bedingungen, die oft zum Tod führten, zur Zwangsarbeit gezwungen wurden.

Meine Freundin hat sich entschuldigt und gesagt, dass sie das nicht wusste. Das glaube ich aber nicht… Wenn sie einen Angriff auf eine jüdische Person sieht, nichts macht und dann auch noch diesen Gewaltakt mit einer Nazi-Rechtfertigung kommentiert, dann muss sie auch starke Vorurteile gegenüber Juden haben… Wenigstens hat sie die Story wieder runtergenommen.