Ein Tagebucheintrag der Klasse FOS 23 der Adolph-Kolping-Schule Plauen
(Workshop am 19. Dezember 2023)
Hinweis: Die folgenden Tagebucheinträge und Szenen basieren auf einem fiktiven Szenario. Die Schüler*innen hatten die Aufgabe, einen erfolgreichen Umgang mit einem möglichen antisemitischen Vorfall zu zeigen.
Wie sich die Szene abgespielt hat…
Ein Verletzter kommt in eine Arztpraxis. Er humpelt auf den Tresen zu, hinter dem eine Krankenschwester sitzt, die die Patientenaufnahme macht. Er spricht sie an.
Verletzter: Entschuldigen Sie, ich brauche einen Termin. Ich habe mir beim Beten in der Synagoge den Fuß umgeknickt. (zeigt auf seinen Fuß)
Krankenschwester: Also sind Sie jüdisch?
Verletzter: Ja, was soll die Frage?
Krankenschwester: Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber wir behandeln hier keine jüdischen Mitmenschen.
Verletzter (verblüfft): Wieso nicht?
Krankenschwester: Das ist nichts Persönliches. Bitte gehen Sie. (zeigt auf die Tür) Gute Besserung.
Verletzter: Ich will mit dem Arzt sprechen.
Da kommt der Arzt mit einem anderen Patienten aus dem Behandlungszimmer. Er merkt, dass irgendetwas nicht stimmt.
Arzt (zur Krankenschwester und zum Verletzten): Entschuldigung, das habe ich jetzt nicht ganz verstanden. Was ist denn hier passiert?
Verletzter: Ich habe mir den Fuß umgeknickt. Und sie (deutet auf die Krankenschwester) sagt, ich kann nicht behandelt werden.
Arzt (zur Krankenschwester): Und warum gibst du ihm nicht einfach einen Termin?
Krankenschwester: Aber er ist jüdisch.
Arzt: Was hat denn das damit zu tun? Was hat das mit irgendwas zu tun?
Die Krankenschwester verschränkt ihre Arme und sagt gar nichts mehr.
Arzt (empört und wütend): Das glaube ich nicht. Was fällt dir denn ein? Das wird ein Nachspiel haben. Glaube nicht, dass du meine Praxis so in den Schmutz ziehen kannst.
Da wendet sich der Arzt an den Verletzten.
Arzt: Und Sie kommen mal gleich mit ins Behandlungszimmer. Es tut mir wirklich leid, dass Sie so behandelt wurden. Ich ziehe Sie vor. Zeigen Sie mal, was mit Ihrem Fuß ist.
Der Arzt stützt den Verletzten und die beiden gehen ins Behandlungszimmer.
Liebes Tagebuch,
heute ist etwas Schreckliches passiert. Als ich heute zum Arzt ging, nach meinem Besuch in der Synagoge, wurde mir zunächst die Behandlung verweigert.
Ich hatte mir meinen Fuß umgeknickt, aber die Krankenschwester wollte mich nicht aufnehmen, weil ich jüdisch bin. Zuerst war ich total überfordert und wusste nicht, was ich sagen sollte. So etwas war mir noch nie passiert.
Zum Glück kam in diesem Moment der Arzt mit einem anderen Patienten aus dem Behandlungszimmer und bekam alles mit. Die beiden unterstützten mich und der Arzt behandelte auch meinen Fuß.
Ich weiß nicht, was dieses Verhalten für die Krankenschwester bedeutet, aber am Ende wurde mir geholfen – das ist das Wichtigste.