Eine Szene der Klasse ASH 22 des Beruflichen Schulzentrums „Julius Weisbach“ in Freiberg (Workshop 31. Mai 2024)
Hinweis: Die folgende Szene und der reflektierende Tagebucheintrag basieren auf einem fiktiven Szenario. Die Schüler*innen hatten die Aufgabe, einen erfolgreichen Umgang mit einem antisemitischen Vorfall zu zeigen.
Wie sich die Szene abgespielt hat…
Henning trifft seine Freunde Hagen und Jonathan in einer Bar. Hagen und Jonathan fällt sofort auf, dass Henning Schwellungen und blaue Flecken im Gesicht hat.
Hagen: Alter! Was ist denn mit dir passiert?
Henning: Ach, nichts besonderes…
Jonathan: Komm schon, man. Raus mit der Sprache!
Hagen: Echt mal! Du siehst aus, als wärst du in eine Schlägerei geraten.
Henning (zögerlich): Naja, das ist im Prinzip auch genau das, was passiert ist.
Jonathan und Hagen schauen ihn entgeistert an.
Henning: Ich war vorgestern Abend nach der Arbeit auf der Dresdener Straße unterwegs. Plötzlich hörte ich schnelle Schritte hinter mir. Ich habe mich umgedreht und, ja, da hatte ich auch schon eine Faust im Gesicht. Das Nächste, woran ich mich erinnere, ist, dass ich auf dem Boden liege und mehrere Personen auf mich eintreten und mich beschimpfen.
Jonathan (geschockt): Alter, das ist ja krass. Wieso?
Henning: Keine Ahnung…
Hagen: Haben die nichts gesagt?
Henning: Doch, schon. Die haben nur irgendwelche antisemitischen Beleidigungen gebrüllt. “Scheiß Jude” und sowas.
Jonathan: Ernsthaft? Waren das Nazis?
Henning: Ich schätze schon. Sie waren komplett schwarz gekleidet und vermummt. Ich kann mich nicht an Gesichter erinnern. Ich weiß nicht mal genau, wie viele es waren. Aber definitiv mehr als drei.
Jonathan: Wow. Hast du das zur Anzeige gebracht?
Henning: Noch nicht.
Hagen: Aber das hast du doch noch vor, oder?
Henning schweigt.
Hagen: Oder!?
Henning: Ehrlich gesagt wollte ich die Sache einfach auf sich beruhen lassen. Die Typen werden doch eh nicht gefunden. Ich will das einfach nur vergessen.
Jonathan: Man Henning, ich kann dich total verstehen, aber so ein Vorfall muss angezeigt werden. Du musst das nicht alleine tun. Hagen und ich sind an deiner Seite.
Hagen: Ja, man. Wir kommen natürlich mit zur Polizei und stärken dir den Rücken!
Henning: Würdet ihr das echt machen?
Jonathan: Natürlich!
Hagen: Absolut!
Henning: Ich weiß nicht. Wisst ihr, es klingt vielleicht komisch, aber nach dieser Sache musste ich häufig darüber nachdenken, wie sich jüdische Menschen in unserer Gesellschaft fühlen, wo es doch so viele antisemitische Vorfälle gibt. Ich war völlig arglos und jetzt drehe ich mich nachts auf der Straße alle fünf Sekunden, um zu gucken, ob mir jemand folgt.
Jonathan und Hagen schauen ihn betroffen an.
Henning: Ihr habt recht, Jungs. Mit eurer moralischen Unterstützung schaffe ich das. Lasst uns das jetzt sofort erledigen, bevor dir Angst zurückkommt.
Die drei machen sich auf den Weg zur nächsten Polizeiwache.