Ein Tagebucheintrag der Krankenpflegehilfe-Klasse der Adolph-Kolping-Schule in Plauen
(Workshop am 8. November 2023)
Hinweis: Die folgenden Tagebucheinträge und Szenen basieren auf einem fiktiven Szenario. Die Schüler*innen hatten die Aufgabe, einen erfolgreichen Umgang mit einem möglichen antisemitischen Vorfall zu zeigen.
Was passiert ist…
Ein Mann sitzt neben einem Mädchen in der Bahn in einem Vierer-Abteil. Das Mädchen daddelt an ihrem Handy. Sie bereitet einen Insta-Post vor mit einem Foto von sich und den Hashtags #jüdisch und #hatenicht. Der Mann schaut auf ihr Handy und fängt an zu schimpfen.
Mann: Ey, sag mal, was postest du hier für ein Mist im Internet?
Mädchen: Guck doch nicht auf mein Handy!
Mann: Das ist mir doch egal, ich kann da doch draufgucken. Was war das denn für ein Post? Bist du eine Jüdin? Das Bild ist doch voll Panne.
Mitfahrer (hat alles genau beobachtet und schreitet ein): Edler Herr, gehen Sie doch zur Seite.
Mann: Wieso?
Mitfahrer: Man benimmt sich nicht so gegenüber einer edlen Dame.
Mann: Was hat Sie das denn zu interessieren?
Mitfahrer: Das interessiert mich, weil Sie die Frau beschimpfen. Benimmt man sich so? Nein! Man beleidigt nicht eine andere Religionsgruppe. Gehen Sie jetzt zu der edlen Dame, verbeugen und entschuldigen Sie sich.
Mann (wütend): Wieso sollte ich mich entschuldigen? Für was? Sie postet doch so einen Müll.
Mitfahrer: Weil jeder das Recht hat, seine Religion auszuleben, ohne dafür angegriffen zu werden, wie Sie es tun. Ich beleidige Sie und Ihre Religion doch auch nicht, oder?
Mann: Nein…
Mitfahrer: Also, entschuldigen Sie sich jetzt bei der gnädigen Dame. Aber gefälligst schnell.
Mann: Na gut… (Er dreht sich zu dem Mädchen). Ja, sorry. (wird nervös und verlässt den Wagen)
Mitfahrer (freundlich): Sehen Sie, es geht doch.
Das Mädchen schaut erst verunsichert um sich und bedankt sich schließlich beim Mitfahrer.
Liebes Tagebuch,
heute ist mir etwas ganz Unangenehmes passiert. Ich saß in der Bahn und habe einen Post vorbereitet. Das Bild, das ich gepostet habe, hat mich gezeigt, wie ich eine Menora-Kerze am Schabbat anzünde mit den Hashtags #jüdisch und #hatenicht. Ich wollte eigentlich nur meinen Followern zeigen, wie ich Schabbat feiere.
Da hat mich auf einmal der Typ, der neben mir in der Bahn saß, angeschrien und gesagt, ich solle nicht so einen Mist posten. Ich war wie versteinert. Gott sei dank hat ein anderer Mitfahrer alles mitbekommen, ihn zur Rede gestellt und ihn aufgefordert, sich bei mir zu entschuldigen. Ich war echt überrascht, als er das – etwas widerwillig – am Ende echt gemacht hat. Ich hoffe, dass der Mann eingesehen hat, dass jede Person in Deutschland, egal welcher Religion sie angehört, das Recht hat, die Religion auszuleben, ohne in der Bahn dafür angepöbelt zu werden. Und nicht nur eine Eskalation des Konflikts vermeiden wollte. Ich bin sehr froh, dass mir jemand zur Hilfe gekommen ist und ich dem Mann nicht ausgeliefert war.
Redaktion: EH.